Das Porträt Study for a Portrait of Henrietta Moraes des irischen Malers Francis Bacon entstand nach einer Fotoserie des Fotografen John Deakin. Das großformatige Werk aus dem Jahr 1964 zeigt das Modell Henrietta Moraes, Muse der britischen Kunstszene und enge Freundin von Bacon, auf einem Bett posierend. Angesichts der Inszenierung des Modells drängt sich der kunsthistorische Vergleich mit einer Odaliske auf, einer aufreizenden Dame, die den Betrachter in Darstellungen aus dem 19. Jahrhundert in die ferne Welt des Orients entführen sollte. Bacon raubt dem Modell in seiner Auslegung jedoch jede Anmut und Mystik. Das beklemmende Gefühl, das sich beim Betrachter des Bildes regt, wird durch die Inszenierung in einem abgeschlossenen, undefinierbaren Raum und die dramatisch von oben strahlende Lichtquelle verstärkt.
In Bacons Porträts verschmelzen die klassische Malerei und die Moderne, er lotet die Grenzen des Ichs aus. Während sich der Maler nachweislich an den klassischen Darstellungen der Renaissance orientiert, hebt er die Porträtmalerei in seiner Interpretation auf eine nächste Ebene, indem er den dargestellten Personen jeglichen Halt in Raum und Zeit entzieht. Das Antlitz der Porträtierten wird so zum Spiegel ihrer inneren Zerrissenheit. Wie in der Werkserie um Henrietta Moraes ersichtlich ist, will Bacon in seiner Malerei hinter die Fassade seiner Modelle blicken. Das Porträt bietet einen beeindruckenden Einblick in den Schaffensprozess des sensiblen Künstlers.