Raoul Dufy
Raoul Dufy, Sebstportrait
Photo credits : Centre Pompidou, MNAM-CCI/Jean-François Tomasian/Dist. GrandPalaisRmnCentre Pompidou, Paris
„Vom Porträtisten der mondänen Gesellschaft zur Pariser Weltausstellung“
Raoul Dufy wird am 3. Juni 1877 in Le Havre geboren.
Er ist der Sohn von Léon Auguste Dufy, der Buchhalter in einer Metallfirma und begeisterter Amateurmusiker ist, und Marie Eugénie geborene Lemonnier. Dufy hat 10 Geschwister darunter den um zehn Jahre jüngeren Bruder Jean Dufy, der ihm als Maler folgen und einen ähnlichen Malstil entwickeln wird. Raoul Dufy gehört zur École de Paris und ist der berühmtere der beiden Brüder. In der Heidi Horten Collection befinden sich zwei Werke von Raoul Dufy: die Gouache Amphitrite à la coquille, um 1927 und das Aquarell Le Canapé d’osier, 1942.
Seine Anfänge
Mit vierzehn Jahren arbeitet Roaul Dufy als Laufbursche in einem Handelskontor seiner Heimatstadt Le Havre. Daneben besucht er 1893 Abendkurse bei Charales Lhullier an der lokalen Kunstschule Ècole municipale des beaux-arts in Le Havre, wo er sich mit dem angehenden Maler Othon Friesz befreundet.
Die beiden teilen sich ein Atelier am Montmartre. Dufy gewinnt 1900 ein Stipendum für das Studium an der Ècole nationale supérieure des beaux-arts in Paris. Bereits 1903 stellt er im Salon des Indépendants in Paris aus. Der Maler Maurice Denis, der ebenfalls in der Heidi Horten Sammlung vertreten ist, kauft ein Gemälde von ihm.
Fauvismus und Seidenstoffe
Bevor Dufy seinen eigenen Stil in den 1920ern entwickelt, malt er im Windschatten von Impressionismus und Fauvismus. Nachdem er Matisse Gemälde Luxe, Calme et Volupté (Luxus, Ruhe und Sinnlichkeit) 1905 im Salon des Indépendants gesehen hat, stößt er zu den Fauves. Er lernt seine Formen zu vereinfachen und seine Farben kontrastreich zu setzen. Ab 1907 beeinflussen ihn die Arbeiten von Paul Cézanne und der frühen Kubisten. Mit dem ebenfalls aus Le Havre stammenden Georges Braque, der auch in der Heidi Horten Collection vertreten ist, ist Dufy 1908 in L’Éstaque.
Dufy entwirft bedruckte Kleiderstoffe für den Pariser Couturier Paul Poiret und den Lyoner Seidenfabrikant Bianchini sowie Möbelstoffe und Wandbehänge für die Manufaktur Beauvais. Er illustriert über 50 Bücher darunter 1911 die Holzschnitte für Apollinaires Buch Le Bestiaire. Nach dem ersten Weltkrieg übernimmt er auch mehrere Dekorationsaufträge, dekoriert Kunstkeramik und stattet Ballett-Aufführungen aus.
Dufy findet seinen Stil
Raoul Dufy vor einem seiner Gemälde, vor 1927, gemeinfrei via Wikicommons
Am Beginn der schillernd lebensfrohen Zwischenkriegszeit in Frankreich findet Dufy zu seinem eigenen Stil. Der Seidenfabrikant Bianchini rät ihm 1923 Pferderennen zu besuchen, um für seine Textilentwürfe die eleganten Toiletten der Damen zu studieren, aber Dufy beginnt die Jockeys und Pferde zu malen. Er findet fortan seine Motive auf Rennplätzen, in Yacht-Clubs und Spielsälen und wird zum Maler der eleganten, mondänen Gesellschaft. Dufy bereist Italien inklusive Sizilien und malt Pferderennen in Deauville, Longchamps, Ascot und 1951 in den USA im Belmont Park, sowie Mittelmeergestade mit mondänen Häfen und Fischerbooten wie Deauville und Casinos. Ein beliebtes Motiv wird das Casino von Nizza. Er malt unbeschwert die Freizeit-Vergnügungen und das mondäne Leben der Grand Bourgeoisiein strahlend leuchtenden Farben mit flottem Pinselstrich, hochgezogenen Horizonten und ohne die klassische Perspektive zu berücksichtigen. Das Meer bleibt sein Lieblingsmotiv. Seine Ölgemälde versprühen den Charme und die Leichtigkeit von Aquarellen. Raoul Dufys Oeuvre zeigt „eine Welt des Frohsinns, der heiteren Farbigkeit und graziösen Beschwingtheit“ (Gasser und Werner).
Amphitrite à la coquille
Als Dufy Amphitrite à la coquille in der Zwischenkriegszeit malt, hat er bereits seinen Stil gefunden. Amphitrite ist eine der 50 Nereïden und damit eine Tochter des Nereus und der Doris. Sie will unverheiratet bleiben, aber Poseidon begehrt und bedrängt sie so sehr, dass sie zu Atlas flüchtet, um sich dort vor ihm zu verstecken.
Poseidon aber schickt ihr einen Delphin als Brautwerber, der Amphitrites Herz erweichen kann. Auf dem Rücken des Delphins kehrt sie zu Poseidon zurück, worauf die Götter sich vermählen. Triton wird der Erstgeborene aus dieser Verbindung.
Raoul Dufy, Amphitrite à la coquille, um 1927
Bleistift, Aquarell mit Deckweiß auf Papier, 51 x 49 cm
Dufy zeigt die griechische Meeresgöttin vor ihrem Element dem Meer. Er malt die Gouache als eine extreme Draufsicht mit einem hochgezogenen Horizont, sodass sich Meer und Himmel fast zu einem einzigen hellen Blau verbinden. Auf diesem Untergrund skizziert er mit flottem Pinselstrich zentral und mittig im Vordergrund Amphithrite mit einer weißen Riesenmuschel in ihren Händen. Sie kniet nackt auf einem orangen Felsblock im Meer. Rund um sie arrangiert er das sommerliche Treiben an der Côte d’Azur: Menschen an der Mole mit Sonnenschirm und Fahrrad, die den großen Schiffen zuwinken, Dampfer, Segelschiffe, Fischerboote, Fischfanun, Badende im Meer und am rechten Rand die Silhouette eines Fischerdorfes mit Strand und grünem Hügel. Er entwirft hier eine unbeschwerte sommerliche Stimmung an einem Strand im Süden Frankreichs. Lediglich am obersten Rand sind weiße Schäfchenwolken zu sehen.
Das Thema Amphitrite beschäftigt Dufy immer wieder. Er malt sie mit einer Muschel in der Hand oder in einer Muschel stehend ähnlich dem berühmten Gemälde von Sandro Botticelli Die Geburt der Venus in den Uffizien von Florenz. Bereits 1927 entstehen mehrere Versionen. Noch in den späten 1930er Jahren malt er das Motiv in Öl und 1936 legt er es als großes Ölgemälde an.
Raoul Dufy, Amphitrite à la coquille, um 1927, Gouache auf Papier, 59,2 x 48,1 cm
Raoul Dufy Amphitrite, 1936 Öl auf Leinwand, 184 x 157 cm
Raoul Dufy Amphitrite, 1938 Öl auf Holzplatte, 16.5 × 41 cm
Pariser Weltausstellung
Le Canapé d’osier
Raoul Dufy, La fée électricité, Öl auf Schichtholz, 10 x 60 m, Musée d’art moderne de Paris, Palais de Tokyo
Seinen größten Auftrag erhält Dufy kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Er malt anlässlich der Pariser Weltausstellung 1937 für den Pavillon der Elektrizität (Palais de la Lumière) das 600m2 große Fresko La fée électricité (Die Fee der Elektrizität). Es ist 10 Meter hoch und 60 Meter breit. Dufy leidet bereits am Rheuma. Sein jüngerer Bruder Jean Dufy (1888 Le Havre – 1964 Boussay, Indre-et-Loire), der mit mehreren Werken in der Heidi Horten Collectionvertreten ist, hilft ihm, den Großauftrag fertig zu stellen. Die beiden Brüder haben einen ähnlichen Malstil. Im selben Jahr 1937 reist Dufy das erste Mal in die USA. Er malt in Pariser Manier begeistert amerikanische Pferderennen, Strandbäder, den Charles River mit Ruderbooten und Badenden, den Times Square, Menschenmassen und Wolkenkratzer.
Raoul Dufy, Le Canapé d’osier, 1942
Aquarell mit weiß gehöht auf Papier, 49 x 64,5 cm
Heidi Horten Collection
Währen des Zweiten Weltkriegs ist Dufy ein kranker Mann. Die fortschreitende Arthritis zwingt ihn in den Rollstuhl. Von 1940 bis 1944 zieht er sich ins unbesetzte Frankreich nach Perpignan zurück. Dort entsteht 1942 das Aquarell Le Canapé d’osier (Das Kanapee aus Korbgeflecht), das sich heute in der Heidi Horten Collection befindet. Es zeigt ein leeres Kanapee für zwei Personen. Das Kanapee aus Rattan ladet mit seiner geblümten Sitzfläche den Betrachter förmlich dazu ein, darauf Platz zu nehmen. Gleichzeitig vermittelt es eine gewisse Melancholie, ein leeres Kanapee verlassen vor dem großen Fenster mit Blick auf eine imposante Berglandschaft, an deren Fuß schöne Häuser stehen. Wahrscheinlich sind es die Ausläufer der Pyrrhenäen, die Dufy von seinem Domizil in Perpignan aus sehen kann.
Letzte Lebensjahre
Von 1950 bis 1951 ist der schwerkranke Künstler zur Kur in Arizona. Dort faszinieren ihn die Cowboys, die für ihn amerikanische Stierkämpfer sind, und die Sonnenuntergänge des Südwestens. Dufy, der aus einer musikalischen Familie stammt, aus der viele Berufsmusiker hervorgegangen sind, malt in seinem Spätwerk in „tönender Malerei“ (Dufy in: Gasser und Werner) bevorzugt Musikthemen wie Orchesterkonzerte. Ähnlich wie in dem Aquarell von Amphitrite skizziert er auf einer Grundfarbe mit raschen beschwingten Pinselstrichen ein vibrierendes Orchestergefüge. Auch den letzten Abend seines Lebens soll der Künstler mit dem Hören einer Wagner-Oper verbracht haben. Raoul Dufy stirbt 1953 in Forcalquier in der Provence.
Seine Werke befinden sich heute in bedeutenden Museen wie dem Centre Pompidou in Paris, dem Art Institute of Chicago, dem Museum of Modern Art in New York oder in der Albertinain Wien. Am 22. Juni 2023 wird Dufys Gemälde La baie de Sainte-Adresse von 1906 aus dem Besitz des französischen Schauspielers Alain Delon bei Bonhams in Paris auktioniert und erzielt über eine Million Euro.
Raoul Dufy vor einem Gemälde, um 1950, Foto: John Craven
Autorin: Verena Traeger
Quellen
Besset, Maurice (Redaktion)
1961 Von Bonnard bis heute. Meisterwerke aus französischem Privatbesitz, Ausstellungskatalog, München: Haus der Kunst in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Freunde des Musée National d’Art Moderne in Paris, S. 20
Gasser, Manuel (Einführung) und Alfred Werner (Bildberläuterungen)
1955 Raoul Dufy, Reihe Welt in Farbe. Taschenbücher der Kunst, München-Wien-Basel: Verlag Kurt Desch, Amsterdam: Harry N. Abrams N.V.
Kuhlmann, Christiane
2023 Raoul und Jean Dufy, in: , in: Agnes Husslein-Arco, Véronique Abpurg und Rolf H. Johannsen (Hg.) Rendez-vous. Picasso, Chagall, Klein und ihre Zeit / and Their Times, Ausstellungskatalog Heidi Horten Colllection Wien, S. 185–188
Kurier
2023 Alain Delon trennte sich von seiner Kunstsammlung. Acht Millionen Euro bei Auktion, in: Kurier, Kulturseite der Sonntagsausgabe vom 25. Juni, S. 30
Galerie Messine
https://www.galeriemessine.com/artists/53-raoul-dufy/overview/
Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Amphitrite_(Mythologie)
https://de.wikipedia.org/wiki/Nereide_(Mythologie)