Werktitel: Femme à la couronne de fleurs (Pablo Picasso, 1939)
Inventarnummer: K-112
Größe/Material: 54 × 32 cm, Öl auf Leinwand
Merkmale: sig. recto li. u. "Picasso"; dat. verso li. o. " 18.6.39"

Pablo Picasso, Femme à la Couronne de Fleurs, 1939 © Succession Picasso, Bildrecht Vienna
Pablo Picasso porträtiert mit Femme à la couronne de fleurs seine langjährige Geliebte Marie-Thérèse Walter. Das Entstehungsdatum „18. Juni 1939“ ritzt er mit dem Pinselstiel in die noch feuchte Farbschicht und signiert mit „Picasso“. Das Porträt zeigt Picassos unverwechselbaren Stil. Die Figur ist in den Details auf das Notwendigste reduziert und aus autonomen Farbflächen ohne Modulierung oder Schattensetzung vor einem gelben Hintergrund im Profil angelegt. Den Künstler beschäftigt die gleichzeitige Darstellung von Profil- und Frontalansicht. Picasso malt, angeregt unter anderem durch Kinderzeichnungen, beide Augen, beide Nasenlöcher, beide Brüste und damit auch die in einem Profil eigentlich nicht sichtbaren Bereiche. Die Farben trägt er pastos auf, den Pinsel führt er teils wie einen Zeichenstift. Picasso abstrahiert, bleibt aber stets gegenständlich.
Walter und Picasso begegnen sich erstmals im Januar 1927 in den Galeries Lafayette in Paris. Damals ist er noch mit der russischen Tänzerin Olga Chochlowa verheiratet, der gemeinsame Sohn Paulo ist fünf Jahre alt. Walter wird sein Modell, seine heimliche Geliebte und 1935 die Mutter ihrer gemeinsamen Tochter María de la Concepción, kurz Maya genannt. Erst mit ihrer Geburt trennt sich Picasso von Chochlowa, bleibt aber bis zu ihrem Tod 1955 mit ihr verheiratet. Als das Porträt entsteht, führt Picasso bereits seit zwei Jahren eine Beziehung mit der Fotografin Dora Maar, eigentlich Henriette Theodora Markowitch. Die in Frankreich schulfreien Donnerstage und Sonntage verbringt er jedoch mit Walter und Maya. Zwischen Walter und Maar herrscht große Rivalität.
Picasso kann sich nicht zwischen ihnen entscheiden – und entscheidet, sich nicht zu entscheiden. Er genießt den Kampf der Frauen um seine Gunst. Von beiden Geliebten entstehen Porträtserien, in denen Picasso auf ihre unterschiedlichen Charaktere mit unterschiedlichen Farbsetzungen reagiert. Die blonde, liebreizende, sanftmütige Walter malt er wie in vorliegendem Gemälde in der Regel in helleren, fröhlicheren Farben und die dunkelhaarige, temperamentvolle und selbstbestimmte Maar in kräftigen, kontrastreicheren Tönen. Marie-Thérèse Walter, die sich 1977 in Juan-les-Pins das Leben nimmt, ist durch Hunderte von Zeichnungen und zig Porträts in Picassos Œuvre bis heute präsent.
PROVENIENZ | |
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18.6.1939 | Datierung vom Künstler |
1939 | Carlo Frua de Angeli und Mary Callery |
1973–1997 | Sammlung Beyeler, Basel |
26.06.1997 | Heidi Horten |
seit 2022 | HGH-Vermögensstiftung |
LITERATUR |
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Christian Zervos, Pablo Picasso. vol. 9. Oeuvres de 1937 à 1939, Werkkatalog Band 9, Éditions "Cahiers d'Art", Paris 1958, Nr. 311, S. 146 |
Galerie Beyeler (Hrsg.), Picasso, 1881–1981, Ausst. Kat., Galerie Beyeler, Basel 1981, Kat. Nr. 34 |
Galerie Beyeler (Hrsg.), Picasso, Der Maler und seine Modelle, Ausst. Kat., Galerie Beyeler, Basel 1986, Kat. Nr. 26 |
Galerie Beyeler (Hrsg.), I love Yellow, Ausst. Kat., Galerie Beyeler, Basel 1996, Kat. Nr. 60, S. 23 |
Fondation Beyeler (Hrsg.), Die andere Sammlung. Hommage an Ernst und Hildy Beyeler, Ausst. Kat., Fondation Beyeler Riehen / Basel: Beyeler Museum AG, Hatje Cantz, Ostfildern 2007, S. 92 |
Heidi Horten Collection, Agnes Husslein-Arco (Hg.), WOW! The Heidi Horten Collection, Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien, korr. 2. Aufl., Wien 2018, S. 403 |
Enrique Mallen, Pablo Picasso and Dora Maar: A Period of Conflict (1936–1946), Liverpool University Press, Liverpool 2021, S. 190 |
Bearbeiter*in: Nathalie Neumann
Werktitel: Plant de Tomate (Pablo Picasso, 1944)
Inventarnummer: K-1
Größe/Material: 73 × 91,5 cm, Öl auf Leinwand
Merkmale: sign. r. u. „Picasso“

Fundacio Pablo Picasso/Bildrecht, Wien, 2025
Pablo Picasso, Plant de Tomate, 1944 © Succession Picasso / Bildrecht, Wien
Pablo Picasso malt Plant de tomate während des Zweiten Weltkrieges, als Paris von deutschen Truppen besetzt ist. Auf der Rückseite datiert er das Gemälde mit 4. August 1944. Schon am Vortag hat er das gleiche Motiv gemalt und an den nachfolgenden Tagen entstehen weitere Versionen. Die grüne Pflanze mit ihren rot leuchtenden Früchten ist in dieser trostlosen Zeit eine Metapher seines inneren Widerstandes und ein Symbol seiner Hoffnung auf bessere Zeiten.
Picasso bleibt während der vierjährigen Besatzungszeit in Paris und malt Stillleben von Alltagsgegenständen, die auf die Entbehrungen in der besetzten Stadt anspielen. Viele Pariser*innen ziehen Gemüse an ihren Fenstern, um der schlechten Versorgung entgegenzuwirken. Der mit Picasso befreundete Fotograf Brassaï schreibt in seinen Erinnerungen am 16. Juni 1944 von zwei Töpfen mit reifenden Tomaten in Picassos Atelier, von denen dieser Zeichnungen und Gouachen angefertigt habe. Während der Pariser Straßenkämpfe im August 1944 zieht Picasso zu seiner Geliebten Marie-Thérèse Walter und der gemeinsamen Tochter Maya an den Boulevard Henri-IV. An Walters Fenstern stehen ebenfalls Tomatenpflanzen.
Das Stillleben gehört zu einer kleinen Werkgruppe aus neun Ölgemälden, die im Juli und August 1944 entstehen. Picasso wählt für alle die gleiche Bildgröße, wechselt aber zwischen Hoch- und Querformat. Das Motiv ist immer eine Tomatenpflanze vor einem Fenster, das geöffnet oder geschlossen ist. In der vorliegenden Version steht das Fenster weit offen, die Pflanze mit ihren organischen Arabesken ist vor einem blauen Sommer-himmel zentral ins Bild gesetzt und von grauen und schwarzen Elementen der Fassade eines Großstadthauses flankiert. Diese löst Picasso ebenso wie den Topf kubistisch auf. Die üppig gewachsene Pflanze mit ihren reifen roten und nachwachsenden grünen Tomaten, den ausgebreiteten Trieben und saftig grünen Blättern bietet der Tristesse in der besetzten Großstadt Paroli.
Picasso, der kurz nach der Befreiung von Paris am 24. August 1944 wieder in sein Atelier in der Rue des Grands-Augustins zurückkehrt, begreift sich als Revolutionär, der den Kampf mit Pinsel und Farbe führt. Noch im selben Jahr tritt er der Kommunistischen Partei Frankreichs bei, deren Mitglied er bis zu seinem Tod bleibt.
PROVENIENZ | |
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4.8.1944 | in Paris beim Künstler |
[…] | |
1946 | A. P. Rosenberg (Alexandre P. Rosenberg), ab 1946 in New York |
[…] | |
1961 | Mr. and Mrs. Thomas May, Beverly Hills |
14.11.1989 | Christie’s, New York, Impressionist and Modern Paintings and Sculpture, Part I, Los 83 |
[…] | |
9.11.1999 | Christie’s, New York, Twentieth Century Art (Evening Sale), Los 531 |
1999 | Heidi Horten |
seit 2022 | HGH-Vermögensstiftung |
LITERATUR |
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Louis Parrot, „Hommage à Pablo Picasso, qui vécut toujours de la vie de la France“, in: Les Lettres françaises, 9.9.1944, S. 8 |
Alfred H. Barr, „Picasso 1940–1944. A Digest with Notes“, in: The Bulletin of the Museum of Modern Art, Vol. 12, Nr. 3, Januar 1945, S. 2–9 |
Harriet Janis, Sidney Janis, Picasso: The Recent Years, 1939–1946, New York 1946, Taf. 30 |
„Bonne Fête“ Monsieur Picasso: From Southern California Collectors, Ausst.-Kat. UCLA Art Galleries, Los Angeles, Los Angeles 1961, Nr. 34 |
Christian Zervos, Pablo Picasso, Vol. 14: Œuvres de 1944–1946, Paris 1963, Nr. 29, Taf. 18 |
Ludwig Ullmann, Picasso und der Krieg, Bielefeld 1993 |
Steven A. Nash (Hg.), Picasso and the War Years, 1937–1945, Ausst.-Kat. Fine Arts Museum, San Francisco, Solomon R. Guggenheim Museum, New York, London/New York 1998, online verfügbar: ia601603.us.archive.org/35/items/picassow00nash/picassow00nash.pdf, letzter Abruf 6.4.2025 |
The Picasso Project (Hg.), Picasso’s Paintings, Watercolors, Drawings, and Sculpture. Nazi Occupation 1940–1944, San Francisco 1999, S. 375, Nr. 44–147 |
Michael Carlo Klepsch, Picasso und der Nationalsozialismus, Düsseldorf 2007 |
Michel Leiris, „L’Exposition Picasso à la Galerie Louis Carré (1945)“, in: ders., Écrits sur l’art, Paris 2011, S. 314–317, hier S. 317 |
Martin Schieder, „Picasso Libre“, in : Thomas Kirchner, Laurence Bertrand Dorléac, Déborah Lakset u. a. (Hg.), Les Arts à Paris après la Libération: Temps et Temporalités, Heidelberg 2018, S. 107–128, online verfügbar: doi.org/10.11588/arthistoricum.324.445, letzter Abruf 6.4.2025 |
Bearbeiter*in: Nathalie Neumann