Odilon Redon
Odilon Redon, Selbstbildnis, 1880, Öl auf Leinwand, Musée d'Orsay, gemeinfrei
„Das Kunstwerk ist die Umwandlung einer Erschütterung, die der Künstler weitergibt. Das Publikum verfügt darüber, doch Liebe ist nötig.“
Odilon Redon
Der französische Maler und Grafiker Odilon Redon (eigentlich geboren unter dem Namen Bertrand-Jean Redon) gilt als einer der Hauptvertreter des französischen Symbolismus.
Er ist Zeitgenosse der Impressionisten steht aber nach seiner „schwarzen“ Phase der jüngeren Gruppe der Nabis Künstler nahe. Odilon Redon wird 1840 als zweiter Sohn einer wohlhabenden Familie in Bordeaux geboren. Sein Vater Bertrand Redon hat in Übersee in Lousiana ein Vermögen erwirtschaftet und sich 1835 das Weingut Chateau Peyre-Lebade in Médoc gekauft, das 1979 in den Besitz des Barons Edmond de Rothschild übergehen wird. Seine Mutter Marie-Odile, geborene Guérin, entstammt französischer Kolonisten aus New Orleans. Sie gibt dem Kind den Spitznamen Odilon, der sein Künstlername wird. Während die Eltern in Bordeaux leben, wächst das kränkelnde Kind bei einer Amme und einem alten Onkel in einem Dorf in der Nähe des Weinguts auf. Erst als Elf-Jähriger kommt er wieder in den Kreis der Familie nach Bordeaux.
Früh zeigt sich sein Zeichentalent. Mit zehn Jahren gewinnt er an seiner Schule einen Zeichenpreis. Nach einem kurzen Studium bei dem Historienmaler Jean-Léon Gérôme (1824–1904) in Paris und seiner Lehrzeit bei dem Grafiker Rodolphe Bresdin (1822–1885) in Bordeaux wird er zur französischen Armee einberufen und als einfacher Soldat im Deutsch-Französischen Krieg (1870–1871) eingesetzt. Danach geht Redon wieder nach Paris und arbeitet ausschließlich mit schwarzer Kohle, Kreide und Lithografie.
Redons schwarze Phase
In seinen in den 1870ern und 1880ern entstandenen dunklen Grafiken, die er selbst als seine „Noirs“ (Schwarzen) bezeichnet, verarbeitet Redon in unheimlichen Visionen, die aus seinem tiefsten Innersten herausdrängen, seine angstvollen Phantasmen, Albträume und Kriegs-Traumata. Er bewundert die Maler Gustave Courbet, Édouard Manet, Camille Pissarro, der in der Heidi Horten Collection mit einem Gemälde vertreten ist, und Jean-Baptiste Camille Corot und liest die Werke von Gustave Flaubert, Charles Baudelaire, Stéphane Mallarmé und Edgar Allan Poe, aber auch von William Shakespeare. Er unternimmt mehrere Reisen und studiert u.a. in den Niederlanden Werke von Rembrandt sowie in Flandern von Peter Paul Rubens. Die Sommermonate verbringt er in der Regel malend und zeichnend in seinem Elternhaus, die Herbst- und Winterzeit aber in Paris.
Mit der Kohle-Kreide Zeichnung „L’Esprit Gardien des Eaux“ (Wächtergeist der Gewässer) von 1878, die sich heute im Art Institute of Chicago befindet, erregt Redon erste öffentliche Aufmerksamkeit. Im Jahr darauf (1879) erscheint seine erste Litho-Mappe Dans le Rêve (Im Traum). Er heiratet 1880 Camille Fargue, die von der Insel Bourbon (heute La Réunion) im Indischen Ozean stammt. 1882 wird auch der einflussreiche Kritiker Emile Hennequin (1859–1888) auf ihn aufmerksam. Er verteidigt in einem Zeitungsartikel die Ausstellung von Redons Kohlezeichnungen im Büro der Tageszeitung Le Gaulois, die öffentlich angegriffen wurde. Weitere Litho-Serien mit seinen Noirs erscheinen: 1882 À Edgar Poe, 1883 Les Origines, 1885 Hommage à Goya und 1886 Le Nuit. Drei Alben entstehen 1888, 1889 und 1896 allein zu Gustave Flauberts La Tentation de Saint Antoine (Die Versuchungen des Heiligen Antonius).
Odilon Redon, L’Esprit Gardien des Eaux, 1878, gemeinfrei
Redon lebt mit seiner Familie von einer Apanage aus dem väterlichen Weingut, denn bis zum Erscheinen seiner Illustrationen in Joris-Karl Huysmans Kultnovelle À rebours (in deutscher Übersetzung: Gegen den Strich) von 1884 über einen jungen dekadenten und neurotischen Adeligen bleibt Redons Werk relativ unbekannt. Im selben Jahr wird er Mitbegründer der Société des Artistes Indépendants und des Salons des Indépendants in Paris. Im Jahr darauf (1885) beginnt seine Freundschaft zu dem französischen Schriftsteller Stéphane Mallarmé (1842–1898). Beide verbindet die Vorstellung von Traum und Fantasie als Teil der Realität. Die literarische Bewegung der Symbolisten steht am Beginn. Redon wird 1886 eingeladen, an der achten und letzten Impressionisten-Ausstellung in Paris teilzunehmen. Im selben Jahr wird sein Sohn Jean geboren, der nur wenige Monate lebt. Der Tod seines Kindes erschüttert den Künstler zutiefst.
Redons späte Farbigkeit
Nach der Geburt seines zweiten Sohnes Ari 1889 geht in den 1890ern Redons dunkle Phase ihrem Ende entgegen. Redon arbeitet nun vorwiegend mit Pastellkreide und Ölfarben. Das Schwarz wird nun von Farben verdrängt und seine Gemälde beginnen, sich mit buntem Leben zu erfüllen. Redon stellt bei den bekannten Pariser Kunsthändlern 1898 bei Ambroise Vollard und 1899 mit den Nabis-Künstlern bei Durand-Ruel aus. Redon, der noch zur Generation der Impressionisten gehört, fühlt sich den jüngeren Künstlern der Nabis-Gruppe, Pierre Bonnard, Édouard Vuillard, Maurice Denis, die alle in der Heidi Horten Sammlung vertreten sind, und Paul Sérusier, aber auch Georges Seurat und Paul Gauguin viel näher.
Redons Dekorationsauftrag für den Baron de Domecya
Vier der Bildtafeln im Musée d’Orsay
Baron Robert de Domecy (1867–1946) beauftragt 1899 Redon, siebzehn Bildtafeln für dessen Esszimmer auf Schloss Château de Domecy-sur-le-Vault, nahe Sermizelles in Burgund zu malen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Künstler bereits einige größere Dekorationsaufträge für private Haushalte ausgeführt, aber die Bildtafeln für den Baron zeigen Redons radikalste Kompositionen am Übergang vom Ornamentalen zum Abstrakten.
Es sind abstrakte Landschafträume aus Teilen von Bäumen wie Zweigen mit Blättern und Blütenknospen, die in freien Räumen aus farbigen Flächen ohne spezifische Details eines Ortes arrangiert sind. Unübersehbar ist der Einfluss japanischer Paraventmalerei in Komposition, Farb- und Formatwahl. Fünfzehn der 1900 bis 1901 gemalten, zweieinhalb Meter hohen Dekorationstafeln befinden sich seit 1988 im Musée d’Orsay in Paris.
Die Porträts im Auftrag des Barons de Domecy
Odilon Redon, Baronne de Domecy, 1900, Gouache und Ölfarben, Getty Museum
Odilon Redon, Baronne Robert de Dommecy, um 1900, Öl auf Leinwand, 74,5 x 68,5 cm, Musée d’Dorsay, Paris, gekauft 1994 mit den Mitteln von la société des Amis du musée d'Orsay, avec la participation de Philippe Meyer, © RMN-Grand Palais (Musée d’Orsay) / Hervé Lewandowski
Im Auftrag von Baron de Domecy malt Redon auch Porträts von dessen Frau Cécile-Jeanne Marie geborene Frotier de Bagneux und ihrer gemeinsamen Tochter Jeanne Roberte, die bis 1966 im Besitz der Familie bleiben. Die beiden Porträts der Baronin, eine Gouache, die sich heute im J. Paul Ghetty Museum in Kalifornien befindet, und eine Ölgemälde, das sich heute im Musée d‘Orsay in Paris befindet, entstehen bereits um 1900, also noch während des großen Auftrags zur Ausschmückung des Esszimmers im Château de Domecy-sur-le-Vault nahe Sermizelles in Burgund. Beide Porträts sind als Hüftstücke angelegt, die die Baronin in all ihrer edlen Eleganz und verträumten Melancholie mit Hochsteckfrisur, in roter Bluse und dunkler Jacke rechts im Bild sitzend, den Blick nach links gerichtet, vor einem abstrakt gestalteten Raum teils mit angedeutetem Blumendekor zeigen.
Ein paar Jahre später 1905 entstehen auch die beiden Porträtzeichnungen der damals fünfjährigen Tochter Jeanne Roberte de Domecy. Das Portrait d’une Fillette Blonde. Jeanne Roberte de Domecy, das sich heute in der Heidi Horten Collection befindet, wirkt durch die mystisch hintergründige Stimmung und das ernst und tiefgründig blickende Mädchen wie ein Rückgriff auf Redons dunkle Werkphase der Noirs (Schwarzen), obwohl der Künstler zu diesem Zeitpunkt seine schwarze Phase bereits beendet hat.
Durch die dunkle Farbigkeit aus Schwarz- und Grautönen und das gekonnte Hell-Dunkel Spiel der Komposition erzeugt Redon eine unheimlich wirkende Szenerie. Eine magische Lichtquelle links im Hintergrund des Bildes beleuchtet zwar das zarte, unschuldige Gesicht des kleinen, blonden Mädchens, aber ihr traurig-ernster, melancholischer ist nach rechts am Betrachter vorbei aus dem Bild ins Leere gerichtet. Das dunkle Kleid, darunter eine weiße Bluse mit Puffärmeln und im Haar eine weiße Masche vor einem schwarzen Hintergrund stehend zeigen Redon als Großmeister des Helldunkels und der geheimnisvollen Schattensetzung, sodass tiefe Wehmut die feinsinnige Zeichnung erfüllt und Redons Neigung das Sichtbare in den Dienst des Unsichtbaren zu stellen offensichtlich wird.
Odilon Redon (1840 – 1916), Portrait d’une Fillette Blonde. Jeanne Roberte de Domecy, 1905. Pastellkreide, Kohle und Conté-Kreide auf Papier, 54,4 x 41 cm, Heidi Horten Collection
Odilon Redon, Young Girl in an Interior, 1905, Kreide, schwarze Pastellkreide und Ölkreide (oiled charcoal) auf Papier, 50 x 36 cm, Thaw Collection / The Morgan Library and Museum, New York (2010.121)
Eine weitere Porträtzeichnung Young Girl in an Interior aus demselben Jahr (1905), die heute in der Thaw Collection in der Morgan Library and Museum in New York aufbewahrt wird, zeigt im Gegensatz zu dem Brustbild in der Heidi Horten Collection ein Kopfporträt. Im linken unteren Viertel der Komposition ist der sehr naturalistisch wiedergegebene Kopf des Mädchens unter einem architektonisch nur angedeuteten hohen Innenraum mit Kuppel positioniert. Auch hier trägt das Mädchen offensichtlich dasselbe dunkle Kleid und dieselbe weiße Masche im Haar vor einem dunklen Hintergrund. Der Blick des Kindes ist jedoch direkt auf den Betrachter gerichtet. Der kindliche Blick ist zwar ernst, aber die naturalistische Zeichnung bar jeder unheimlichen Stimmung.
Kees van Dongen, Jeune Fille au Chapeau Fleuri, Öl auf Leinwand, 96,5 x 77,5 cm
Zehn Jahre später bestellt Baron de Domecy auch bei dem in Paris angesagten, niederländischen Maler und Porträtisten Kees van Dongen (1877–1968) ein Porträt seiner Tochter. Das Ölgemälde Jeune Fille au Chapeau Fleuri, das 2010 bei Sotheby’s versteigert wird, zeigt die nun zehn-jährige Jeanne Robert de Domecy als angehende Schönheit und ist als Hüftstück konzipiert. Das Mädchen sitzt in ihrem zartrosa-weißen Kleid zentral im Bild. Auf dem Kopf trägt sie einen altrosa-farbenen Hut mit hellem Blumendekor und um den Hals ein damals modernes schwarzes Choker-Halsband aus Samt. Ihre linke Hand ruht sanft auf ihrem Rock, während sie in ihrer rechten Hand einen üppigen Strauß roter Blumen hält. Mit ihren langen blonden Haaren, ihren rosa Wangen, ihrem rotem Mund und ihren leuchtend blauen Augen blickt sie den Betrachter direkt an. Ihr Blick ist zwar durchaus ernst, aber selbstbewusst und hoffnungsfroh. Vor allem die leuchtend kräftigen Farben machen das Porträt zur Antithese von Redons Zeichnung in der Heidi Horten Collection.
Redon und Religion
Bild 1: Odilon Redon (1840 – 1916), Bouddha marchant dans les fleurs (Buddha zwischen Blumen wandelnd / Buddha Walking Among the Flowers), 1905. Öl auf Leinwand, 73,3 x 56,8, Heidi Horten Collection
Bild 2: Odilon Redon, Der Buddha, 1906-07, Pastell, 90 x 73 cm, Musée d’Orsay, Paris
Angeregt durch Hindu-Poesie beschäftigt sich der Künstler bereits um 1900 intensiv mit buddhistischer Symbolik. Es entstehen in der Folge einige Buddha-Darstellungen. Eine befindet sich heute im Musée d’Orsay und eine weitere in der Heidi Horten Collection. Im Pariser Herbstsalon wird Redon 1904 ein ganzer Raum zur Verfügung gestellt.
Anfang des 20. Jahrhunderts setzt sich Redon intensiv mit buddhistischer Symbolik auseinander. In der Folge entstehen mehrere Buddha Darstellungen. Eine befindet sich heute in der Heidi Horten Collection: Buddha zwischen Blumen wandelnd, 1905. Buddha wandelt oder steht zentral ins Bild gesetzt, unter einem Baum zwischen üppig blühenden Blumen. Er ist in aufrechter Haltung frontal zum Betrachter dargestellt mit geschlossenen Augen in sich versunken. Buddha trägt eine Mönchskutte vom Schnitt wie ein Shaolin-Kleid mit den ausladenden Ärmeln und einem Umhang sowie Halsschmuck. In seiner rechten Hand hält er den Wanderstab und die linke Hand ist als Mudra (Sanskritwort für „Zeichen“) andachtsvoll erhoben. Es handelt sich um die klassische spirituelle Handgeste für Buddha-Darstellungen, genannt Abhaya, die Furchtlosigkeit und Schutz und ungestümes Mitgefühl vermittelt. Sie setzt Grenzen bei geöffnetem Herzen. Die höhere Bewusstseinsebene des wandelnden Mönchs wird auch durch die Harmonie der Komposition unterstrichen.
In ähnlicher Soutane mit Umhang nur detailreicher und farblich genauer ausgeführt, wieder mit Halsschmuck (auch dieser ist klarer erkennbar), den Wanderstab in seiner rechten Hand und der zur „Ermutigungsgeste“ (Narzt 2023) erhobenen linken Hand, mit den geschlossenen Augen in sich gekehrt und ganz eins mit der Natur, in der Nähe eines Baumes wandelt oder steht auch der Buddha in der 1906-07 entstandenen Pastellzeichnung, die sich heute im Musée d‘Orsay in Paris befindet. Die Farben sind reduzierter und heller als in der 1905 entstandenen Darstellung. Das Blau des unteren Randes seiner Mönchskutte korreliert mit dem Himmelsblau. Die Buddha-Figur und der Baum wirken wie ebenbürtige Wesen, die nebeneinander in Beziehung stehen.
Odilon Redons Interesse an östlicher Spiritualität wird bereits 1860 geweckt, als der Botaniker Armand Clavaud (1828–1890) den damals zwanzigjährigen Künstler in Bordeaux in Hindu-Poesie einführt. Redon kennt auch die in den 1890er erschienenen Publikationen über das Leben des Weisheitslehrers und Religionsstifters Siddhartha Gautama, der um 500 v. Chr. in Indien gewirkt hat (Narzt). Er kennt zudem die Theosophische Gesellschaft, die im 19. und 20. Jahrhundert buddhistische Lehren in gebildeten Kreisen verbreitet (Narzt).
In seinem Spätwerk beschäftigen Redon generell vermehrt religiöse Themen wie im Calvary (Kalvarienberg) zu sehen ist. Hier ist der gekreuzigte Christus wie ein Monolith zentral in einen abstrakten Raum gesetzt. Am Fuße des hohen Kreuzes lehnt die trauernde Maria und links stehen zwei Jünger, vermutlich Johannes und Anna. Neben den christlichen entstehen gleichwertig auch buddhistische Motive. Als Redon aber 1911 von Maurice Denis gefragt wird, der in der Heidi Horten Collection mit einer religiösen Darstellung vertreten ist, ob Redon sich an der Ausstellung zu christlicher Kunst beteiligen möchte, lehnt dieser ab. Redon will nicht als katholischer Künstler bekannt werden, da seine Figuren nicht nur der christlichen Heilslehre, sondern ebenso der griechischen Mythologie, dem Hinduismus und dem Buddhismus entnommen sind, denn Redon interessieren grundlegende spirituelle Fragen.
Bereits um 1899 malt Redon La Mort de Bouddha (Der Tod des Buddha). Das Werk zeigt den toten Buddha links im Bild unter einem aus dem Bild gewachsenen Baum liegend, ganz eins mit der ihn umgebenden Schöpfung. Über dem Leichnam schwebt Sternenstaub oder ein Schwarm Glühwürmchen. Die Szene ist vor einem dunkelblauen Nachthimmel komponiert. Das Werk, das mit leuchtend kräftigen Farben gemalt ist und doch eine ausgleichende Ruhe verströmt, kauft der Künstler Henri Matisse, der selbst in der Heidi Horten Collection vertreten ist, um 1900 direkt von Redon.
Odilon Redon, Calvary (Kalvarienberg)
Odilon Redon „La Mort de Bouddha (Der Tod des Buddha)“, um 1899
Odilon Redon, Der Rote Baum (The Red Tree), Tempera auf Leinwand, 173 cm x 87,5 cm, Van Gogh Museum Amsterdam
Aus dem Besitz des niederländischen Sammlers Andries Bonger (1861–1936), Schwager von Theo van Gogh, befinden sich heute zwei weitere Buddha-Darstellungen im Van Gogh Museum in Amsterdam: die 1904 entstandene Arbeit Buddha, die Bonger 1905 von Redon gekauft hat, und der Rote Baum, den Bonger beim Künstler in Auftrag gegeben hat.
Odilon Redon, Der Rote Baum (The Red Tree), Tempera auf Leinwand, 173 cm x 87,5 cm, Van Gogh Museum Amsterdam
Buddha sitzt im Lotussitz, den Oberkörper gerade aufgerichtet, seine Hände auf den Knien ruhend vor einem Baumstamm bzw. unter einem Baum. Er sitzt seitlich zum Betrachter, Figur und Blick nach rechts gerichtet. Die Buddha-Figur ist in hellen, gelblichen Farbtönen und mit wenigen Strichen ausgeführt und trägt ein vermutlich thailändisches Buddha-Gewand mit einer Kopfbedeckung aus goldenem Material. Er ist von floralen Formen umgeben, die wie ephemere Wesen im Raum tanzen. Der Buddha ist eins mit dem Baum und der gesamten Natur. Die duftige Malerei, die Redon ursprünglich als Dekorationsmalerei angelegt hat, wirkt durch die matten Farben, die der Künstler verwendet, freskoartig.
Während die Buddha Darstellung in dem 1904 gemalten Werk Der Buddha unstreitig ist, gibt die am Roten Baum dargestellte Figur Rätsel auf. Unklar bleibt, ob sie sitzt, steht oder geht und ob es sich überhaupt um Buddha oder um eine andere Person handelt. Vielleicht hat es auch keine Bedeutung für Redon, hier Buddha darzustellen. Unstreitig hat Redon auch für diese Arbeit wieder eine reduzierte, zurückhaltend matte Farbigkeit gewählt, die an Fresco-Malerei erinnert. Die Person ist neben einen Baum komponiert, der diesmal rötliche Rinde hat und über und über von weißen Blüten übersät ist. Redon, der selbst keiner Religionsgemeinschaft angehört, gelingt hier eine über jeder Religion stehende, spirituelle Darstellung des Menschen als Teil der Natur.
Internationale Anerkennung
Durch den 1913 von dem französischen Kunstkritiker André Mellerio (1862–1943) herausgegebenen Katalog Etchings and Lithographs und die größte Einzelpräsentation in der New Yorker Armory Show im selben Jahr erlebt Redon am Ende seines Lebens internationale Anerkennung. 1914 wird sein Sohn Ari als Soldat in den Ersten Weltkrieg einberufen.
Noch während des Ersten Weltkrieges stirbt Redon 1916 in Paris. Posthum erscheint 1923 Mellerios Buch Odilon Redon: Peintre, Dessinateur et Graveur und 2005/06 gibt das Museum of Modern Art (MOMA) in New York mit der Ausstellung Beyond the Visible: The Art of Odilon Redon (Über das Sichtbare hinaus: Die Kunst von Odilon Redon) einen großen Überblick von Redons Werk.
Autorin: Verena Traeger
Quellen
Cassou, Jean
1972 Odilon Redon, München: Schuler
Fleur Roos Rosa de Carvalho
2022 Decorative panels, in: Odilon Redon and Andries Bonger: 36 works from the Van Gogh Museum collection, Amsterdam
Narzt, Andreas
2023 Odilon Redon. Bouddha marchant dans les fleurs, in: Agnes Husslein-Arco, Véronique Abpurg und Rolf H. Johannsen (Hg.) Rendez-vous. Picasso, Chagall, Klein und ihre Zeit / and Their Times, Ausstellungskatalog Heidi Horten Colllection Wien, S. 235 –236
Redon, Odilon
1913 À soi-même (Für sich selbst), Paris
Traeger, Verena
1918 Odilon Redon (1840 – 1916), in: Agnes Husslein-Arco und Heidi Horten Collection (Hg.) Wow! Die Heidi Horten Collection, Ausstellungskatalog, Wien: Leopoldmuseum und Heidi Horten Collection, S. 430–433
Wildenstein, Alex
1992 Odilon Redon. Catalogue Raisonné de l’œuvre peint et dessiné, Vol. I: Portraits et figures, Paris
Artinwords
https://artinwords.de/odilon-redon/
Sothebys
https://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2010/impressionist-modern-art-evening-sale-n08633/lot.46.html
Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Odilon_Redon