Heidi Goëss-Horten © Ouriel Morgensztern
“I am proud, with my collection and the construction of the museum, to have created something lasting, which future generations will also be able to experience when they visit my museum and take joy in the art that has given me such joy for so long.”
Heidi Goëss-Horten
Bernard Lorjou
Bernard Lorjou (rechts) mit Bernard Buffet (links) 1948 vor dessen Sieger-Gemälde Deux Hommes au table (Zwei Männer am Tisch), 1947 bei der Preisverleihung zum Prix de la Critique,
"Seidenstoffe für Marlene Dietrich“
Der französische Maler Bernard Lorjou wird am 9. September 1908 in Blois, das zwischen Orléans und Tours an der Loire liegt, geboren.
Er wird nach der Hebamme Madame Bernard benannt. Seine Eltern Joseph und Rose-Amélina (ganannt Clotilde) Lorjou verarmen kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Er ist das Jüngste von drei Kindern. Mit 13 Jahren beendet er die Schule und beginnt eine Tischlerlehre. Mit 16 Jahren geht er 1924 nach Paris, um Maler zu werden. Das erste Jahr in Paris erlebt er in bitterer Not. Er wohnt in einem kleinen Raum in der Rue Raspail, muss aber manchmal in der Bahn-Station Orly übernachten und friste sein Fasein als Laufbursche für eine Druckerei.
Lorjou und feinste Seiden
Die Bewegung L’homme Témoin
Lorjou erhält 1925 eine Anstellung in der Seidenweberei Ducharne. Dort begegnet er seiner zukünftigen Ehefrau, der Malerin Yvonne Mottet (1906–1968). Sie stammt aus Lyon und hat eine Kunstausbildung genossen. Durch sie lernt der Autodidakt das formale Zeichnen. Mit großem Erfolg koloriert er feinste Seidenstoffe für die vornehmsten Modehäuser wie Balmain, Lanvin und Dior. Die Stoffe tragen die berühmtesten Frauen seiner Zeit wie Marlene Dietrich und Wallis Simpson. Der Verdienst ermöglicht ihm die Freiheit zu malen.
Auf seiner ersten Spanienreise 1931 bewegen Lorjou die Werke von El Greco, Velasquez und Goya, die er im Prado im Original studiert. Durch Goya angeregt beginnt er sozialpolitische Ereignisse zu malen. Mit Yvonne Mottet eröffnet er 1934 ein Atelier am Montmarte. Als die deutschen Truppen nach Paris vorrücken, geht Lorjou 1939 nach Blois zurück. Kurze Zeit ist er Bürgermeister seiner Heimatstadt. Mitten Im Zweiten Weltkrieg stellt er 1942 erstmals im Salon des Indépendants (Saalon der Unabhängigen) in Paris aus und 1945 zeigt die Pariser Galerie du Bac seine erste Einzelausstellung.
Zusammen mit dem jüngeren Maler Bernard Buffet erhält Lorjou 1948 den Prix de la Critique. Im selben Jahr gründet er mit dem Kunstkritiker Jean Bouret und Yvonne Mottet die Kunstgruppe L’homme Témoin (Der Mensch als Zeuge), um die figurative Malerei gegenüber der abstrakten Kunst zu verteidigen. Beim zweiten Manifest von L’homme Témoin in der Galerie Claude in Paris schließen sich weitere Künstler an, darunter Bernard Buffet, der auch in der Heidi Horten Collection vertreten ist.
Lorjous Stillleben in der Heidi Horten Collection
Bernard Lorjou (1908 – 1986), Fleurs blanche (Weiße Blumen vor gelbem Hintergrund), o.J., Öl auf Leinwand, 59,5 x 48 cm, Heidi Horten Collection
Bernard Lorjou (1908 – 1986), Fleurs blanche (Weiße Blumen vor zinnoberrotem Hintergrund), o.J., Öl auf Leinwand, 64 x 49 cm, Heidi Horten Collection
Im Laufe seines Schaffens verändert Lorjou mehrmals seinen Malstil. In der Heidi Horten Collection befinden sich drei expressive Stillleben mit leuchtenden Farben, die Lorjou pastos und ungestüm auf die Leinwand gespachtelt hat. Besonders die beiden Blumenarrangemants in der Vase, Weißen Blumen vor gelbem Hintergrund und Weiße Blumen vor zinnoberroten Hintergrund zeigen Lorjous schrille Farbexperimente. In seinen Farbexplosionen experimentiert er teils auch mit Neonfarben. Lorjou abstrahiert, bleibt aber immer gegenständlich. Das dritte Stillleben Nature Morte au Bougeoir (Stillleben mit Kerzenständer), das mit 1953 datiert ist, weicht nicht nur durch das Arrangement aus Krug, Kerzenständer und Weinflasche von den beiden anderen ab, sondern auch durch die dunkleren Farben.
Bernard Lorjou (1908 – 1986), Nature Morte au Bougeoir, 1953
Öl auf Leinwand, 54,5 x 53,5 cm, Heidi Horten Collection
Lorjous Cathédrale in der Heidi Horten Collection
Ganz anders als die drei Stillleben ist Lorjous Cathédrale ausgeführt. Die feingliedrige Komposition malt der Künstler in den 1950ern als Mischtechnik auf Karton. Es ist unschwer in der Kathedrale die im neobyzantinischen Stil erbaute, berühmte römisch-katholische Wallfahrtskirche Sacré-Cœur de Montmartre zu erkennen. Das weiß leuchtende Gotteshaus am Ende der Straße ist voll Feingefühl mit dem Pinsel vorgezeichnet und die Komposition mit dynamischen Pinselstrichen in kräftigen Farben im Vorder- und Hintergrund koloriert und akzentuiert. Das ausgewogene Arrangement zeugt von Lorjous scharfer Beobachtungsgabe und seiner Könnerschaft als Zeichner und Maler.
Bernard Lorjou, Cathédrale (Kathedrale), 1950er, Mischtechnik auf Karton, 63,5 x 46,5 cm, Heidi Horten Collection
Lorjous Oeuvre
Aktionistische Ausstellungen
Lorjou (links) neben seiner Skulptur Silver Horseman dahinter der französische Präsident Georges Pompidou 1972
Überliefert sind Lorjous extravagante teils aktionistische Ausstellungen im öffentichen Raum, wie in Parks oder auf einem Frachtboot auf der Seine sowie sein streitbares Naturell. Er wird durch prominente Persönlichkeiten wie den Kunsthändler und Kunstkritiker Georges Wildenstein und Domenica Walter, die Witwe des Künsthändlers und Sammlers Paul Guillaume gefördert. 1954 zeigt die Galerie Wildenstein die erste Einzelausstellung des Künstlers in den USA und das Museum Kamakura für Geschichte und Kultur Arbeiten von Lorjou und seiner Lebenspartnerin Mottet. In den 1950ern gehört Lorjou mit Bernard Buffet und Alfred Manessier, die beide in der Heidi Horten Collection vertreten sind, zu den meistzitierten französischen Malern.
Lorjou schafft im Laufe seines Lebens tausende Malereien, Holzschnitte, Keramiken und Bronzeskulpturen, Lithografien, Buchillustrationen, Poster zu sozialen Themen, Glasfenster und Wandmalereien. Er malt 1950 das Ölgemälde L’âge Atomique (Das Atomzeitalter), das der französische Staat ankauft und das sich heute mit weiteren Arbeiten des Künstlers im Centre Pompidou in Paris befindet und liefert 1965 rund 33 Farbholzschnitte zu Guillaume Apollinaires Le Bestiaire (Das Bestiarium). 1966 malt er das große Deckengemälde des Afrikaraumes im Musée de la Chasse et de la Nature (Museum für Jagd und Natur) in Paris. In seiner Heimatstadt Blois entstehen im Auftrag des örtlichen Bischofs 1967 die sakralen Wandmalereien Gleichnisse und 1984 ein Glasfenster in der Kapelle.
Sommeraufenthalte und späte Heirat
Lorjou verlegt 1966 seine Sommerresidenz nach Spanien. Kurz vor Mottets Tod 1968 heiraten die beiden. Im Jahr darauf 1969 malt er in Marbella in Spanien, wo er die Casa Grande mietet. Bewegt von der Ermordung der Schauspielerin Sharon Tate entsteht eine Serie, die er mit Erlaubnis ihres Witwers, des Filmemachers Roman Polanski ausstellen darf. Sein Gemälde Das Marbella Atelier wird vom Museum Moderner Kunst in Paris angekauft.
Lorjou verlegt 1971 seinen Sommersitz nach Garde Freinet an die französische Riviera. In der Galerie Tallien in Saint Tropez zeigt er seine Werke zum Thema Sacred Sex. Die Pariser Oper kauft 1972 seine Silberstatue The Silver Horseman, die Lorjou für die Krebsforschung gespendet hat. Wally Findlay zeigt 1973 Einzelausstellungen des Künstlers in New York, Chicago, Beverly Hills und Miami. Im Château de Blois wird 1984 die Ausstellung Lorjou in privaten französischen Sammlungen eröffnet und 1985 zeigt das Pailais de l’Europe in Menton eine Retrospektive. Im selben Jahr zeigt er seine letzte Ausstellung in Paris zum Thema Aids.
Lorjou stirbt am 26. Januar 1986 in seinem Haus in St. Denis-sur-Loire, nahe seinem Geburtsort Blois.
Autorin: Verena Traeger
Quellen
Bernard Lorjou offizielle Website
http://www.bernardlorjou.com/chronology
FRWiki
https://de.frwiki.wiki/wiki/Bernard_Lorjou
Wikipedia
https://en.wikipedia.org/wiki/Bernard_Lorjou