Heidi Goëss-Horten © Ouriel Morgensztern
“I am proud, with my collection and the construction of the museum, to have created something lasting, which future generations will also be able to experience when they visit my museum and take joy in the art that has given me such joy for so long.”
Heidi Goëss-Horten
Maurice Denis
Maurice Denis Portrait de l'artiste à l'âge d‘ 18 ans (Selbstporträt des Künstlers im Alter von 18 Jahren), 1889, Musée d'Orsay
„Die Kunst ist die Schöpfung unseres Geistes,
zu der die Natur nur die Gelegenheit gegeben hat.“
Maurice Denis
Der französische Maler Maurice Denis wird 1870 als Sohn eines Eisenbahnbeamten in dem Fischereihafen und Seebad Granville in der Manche in der Normandie geboren. Bereits im darauf folgenden Jahr zieht die Familie nach Saint-Germain-en-Laye nahe Paris, wo der Maler sein ganzes Leben verbringen wird.
Denis und die Nabis
Denis besucht 1888 die Académie Julian in Paris, wo ihn Paul Sérusier für die Schule von Pont-Aven begeistert. Im selben Jahr gehört er mit Paul Sérusier, Félix Vallotton sowie Pierre Bonnard und Édouard Vuillard, die beide in der Heidi Horten Collection vertreten sind, zu den Gründern der Künstlergruppe Les Nabis (hebräisch für „Propheten“ bzw. „Erleuchtete“), die sich für japanische Farbholzschnitte (Ukiyo-e), die Werke von Paul Gauguin und der Pointillisten begeistern. Er gilt neben Sérusier als ihr wichtigster Theoretiker. Bereits 1890 erscheint sein erster theoretischer Artikel in der Zeitschrift Art et Critique. Im selben Jahr stellt er auch sein erstes Gemälde Der Chorjunge im Salon aus. Im darauffolgenden Jahr (1891) nimmt er an der Ausstellung der Nabis in der Galerie Le Barc de Boutteville teil. Im selben Jahr beginnt er seiner späteren Frau Marthe Meunier (1871–1919) den Hof zu machen. Seine viele Reisen führen ihn 1890 und 1895 nach Italien, wo er Werke der Renaissance vor allem von Piero della Francesca im Original studiert. Spätere Reisen führen ihn 1909 nach Moskau, 1921 nach Algerien und Tunesien, 1924 nach Palästina und Griechenland und 1927 in die USA und Kanada.
Maurice Denis, Annonciation d'Assise (Annunciation in Assisi), 1914
Denis und Le Prieuré
Das ehemalige Spitalsgebäude L‘Hôpital Général Royal in Saint-Germain-en-Laye wird Denis Atelierhaus. Er mietet das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert mit dem weitläufigen Park ab 1910. Vier Jahre später (1914) kauft er es und umbenennt es in Le Prieuré. Heute liegt sein einstiges Atelierhaus an der Rue Maurice Denis Nummer 2 und beherbergt seit 1980 das Musée Maurice Denis, in dem auch Werke seiner Malerkollegen Paul Sérusier, Emile Bernard, Édouard Vuillard, Pierre Bonnard, Félix Valloton, Odilon Redon, der auch in der Heidi Horten Collection vertreten ist, oder Paul Gauguin zur Sammlung gehören
Maurice Denis, Autoportrait devant le Prieuré (Selbstporträt vor Le Prieuré), 1921, Musée Maurice Denis, Saint-Germain-en-Laye
Maurice Denis, Autoportrait (Selbstporträt), 1919
Denis und Ateliers d’art sacré
Nach dem Ersten Weltkrieg beginnt sich Denis um die Wiederbelebung religiöser Kunst zu bemühen. Auch in seinem großzügigen Atelierhaus Le Prieuré restauriert und dekoriert er 1915 bis 1928 die Kapelle, die heute öffentlich zugänglich ist. Mit Georges Desvallières (1861–1950) gründet er 1919 in Paris die Künstlerkollektive Ateliers d’art sacré, die bis 1947 besteht. Ihr Ziel ist die Erneuerung religiöser Malerei. Sie wollen religiöse Werke schaffen, die modern und öffentlich zugänglich sind. Fast dreißig Jahre scharen sie Künstler um sich, deren Werke im Dienste des katholischen Glaubens entstehen.
Die materielle Basis für Ateliers d’art sacré legt eine Gruppe von 22 Aktionären. Im ehemaligen Atelier von Paul Sérusier in der Rue Joseph-Bara und später in der Rue de Furstemberg unterrichten sie Künstler und Handwerker in alten Techniken christlicher Kunst wie der Freskomalerei. Ihre Werke sollen die vom Krieg zerstörten Kirchen schmücken und die katholische Kirche mit der modernen Welt versöhnen. Andere Werkstätten sind angeschlossen wie die der Glaskünstlerin Marguerite Huré oder das Bildhaueratelier in der Rue Notre-Dame-des-Champs, wo Simone Callède, Albert Dubos und Roger de Villiers arbeiten.
Maurice Denis, Le Mystère Catholique, 1889, Musée Maurice Denis
In den 1920er und 1930er Jahren kann die Künstlerkollektive, die auch das Ideal mittelalterlicher Werkstätten vertritt, große Aufträge ausführen. An den Wanddekorationen in der von dem Architekten Paul Tournon 1928–1935 erbauten Église Saint-Esprit in Paris arbeiten rund 40 Künstler unter ihnen Maurice Denis und Georges Desvallières. Die Wandmalereien zeigen die Meilensteine der Kirchengeschichte. In vielen Kirchen Frankreichs realisiert Denis große Wandmalereien und Glasfenster. In der Basilika der Abtei Saint-Maurice im schweizerischen Kanton Wallis arbeitet er 1920 an dem Altarmosaik Krönung des Hl. Mauritius.
Église Saint-Esprit in Paris
Saint Sacrament à l’Autel bleu
Maurice Denis, Saint sacrament à l’autel bleu (Heiliges Sakrament am blauen Altar), 1898/99, Heidi Horten Collection
Das kleine Ölgemälde Saint Sacrament à l’Autel bleu (Heiliges Sakrament am blauen Altar), das sich heute in der Heidi Horten Collection befindet, malt Denis 1898–1899. Etwa zur selben Zeit 1899 malt Denis die Dekoration der Kapelle des Kollegiums di sinte-croix in Le Vésinet. Beide gehören zu den frühen Arbeiten, in denen sich der Künstler mit religiösen Themen beschäftigt. Denis faszinieren die römisch-katholischen Riten. Er wird immer wieder kirchliche Handlungen wie heilige Messen oder Prozessionen in und außerhalb eines Kirchengebäudes malen. Das Gemälde steht am Beginn einer langen Reihe katholischer Motive im Oeuvre des Künstlers.
Die farbkräftige Komposition zeigt den Höhepunkt eines Gottesdienstes im Freien (vielleicht im Rahmen einer Fronleichnamsprozession). Das Heilige Sakrament wird vor einem blauen Altar vollzogen, an dessen Stufen der Priester gerade die Monstranz in die Höhe hebt. Hinter ihm schwenken die beiden Ministranten die Weihrauchbehälter. Die Szene ist in eine üppig blühende Natur eingebunden, in der die Blautöne vorherrschen, die mit dem hellblauen Altar samt den hellblauen Stufen zum Altar eine kompositorische Einheit bilden. Die runden, dunkelblauen Farbflecken auf den hellblauen Stufen korrelieren mit den runden, bunten Farbflecken auf den Büschen, die Blüten darstellen und finden ihren Höhepunkt in den Flammen der Kerzen am Altar.
Als Betrachter des Bildes wird man unwillkürlich Teil der Handlung und damit der Komposition. Man steht quasi inmitten der Gläubigen, das Sakrament zu schauen. Denis Malereien sind von Gefühl und Symbolkraft durchdrungen und verströmen Poesie und Anmut. In seinen Werken verschmelzen Nabis, Symbolismus, Jugendstil und Präraffaeliten zu einer hehren Malerei, die nach innerer Erbauung strebt.
Maurice Denis, Dekoration der Kapelle des Kollegiums di sinte-croix du vésinet, esaltazione della croce e glorificazione, 1899, Musée d'Orsay
Maurice Denis, Prozession, 1919, Nationalmuseum westlicher Kunst, Tokio
Denis letzte Lebensjahre
In der Zeit des Nationalsozialismus werden Denis Werke als entartete Kunst beschlagnahmt, wie 1937 die Farblithografien Mädchen vor blühenden Kastanien und Ce fut un religieux mystère aus dem Folkwang Museum in Essen, die in der Folge im Kunsthandel „verwertet“ werden.
Noch während des Zweiten Weltkrieges stirbt Maurice Denis am 13. November 1943 nach einem Autounfall in Saint-Germain-en-Laye. Seine Werke sind heute in wichtigen Sammlungen und Museen vertreten wie im Kröller-Müller Museum im niederländischen Otterloo, im Musée d’Orsay in Paris, in der Kunsthalle Bremen oder in der Neuen Pinakothek in München.
Autorin: Verena Traeger
Maurice Denis, Prozession in der Nähe der Basilika Santi Quattro-Coronati in Rom, 1928, Privatsammlung
Maurice Denis, Prozession, 1926, Privatsammlung